Am 8. März ist Internationaler Frauentag. Zu diesem Anlass stellen wir in diesem Jahr die Arbeit einer Frauenorganisation in Bolivien vor. In dem stark patriarchalisch geprägten Land werden Frauen systematisch benachteiligt. Das Centro Juana Azurduy (CJA) mit Sitz in Sucre, ZFD-Partnerorganisation des Weltfriedensdienstes, unterstützt Frauen darin, patriarchale Strukturen zu erkennen und kritisch zu hinterfragen. Ziel ist es, Veränderungen voranzutreiben, geschlechtsbezogene Ungleichheiten zu reduzieren und Frauen in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu stärken.
Durchführung einer Fokusgruppe im Rahmen des Forschungsprozesses in Villa Serrano. (Foto: Milenka Noelia Encinas Salinas, Genehmigung zur honorafreien Verwendung liegt vor)
Erst wenn Menschen die eigene Realität erkennen und sich kritisch mit ihr auseinandersetzen, können sie Veränderungen bewirken. Hier setzt CJA an. Mittels partizipativer Aktionsforschung, einer Methode der Konfliktbearbeitung, bekommen junge Frauen die Möglichkeit, als Forschende selbst konfliktbehaftete Zustände zu untersuchen, Veränderungsvorschläge auszuarbeiten und diese zu verbreiten. Die Frauen sind Mitglieder sozialer Organisationen aus fünf ländlichen und städtischen Gebieten des Regierungsbezirks Chuquisaca im Hochland Boliviens.
Die Teilnehmerinnen setzten sich zunächst mit Dominanzstrukturen wie Machismo oder Gewalt gegen Frauen auseinander und reflektierten deren Auswirkungen auf das eigene Leben und die Gesellschaft. Auf dieser Grundlage identifizierten sie ihr Forschungsthema: die fehlende Mitverantwortung bei der Wahrnehmung von Betreuungsaufgaben. Das Thema ist bislang in Bolivien wenig untersucht und von hoher Relevanz für die Frauen. Denn die große – oftmals alleinige – Verantwortung für die Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen hindern sie häufig an einem selbstbestimmten, unabhängigen Leben.
Teilnehmerinnen des Forschungsprozess bei der Durchführung einer Fokusgruppe. (Foto: Svenja Jandrasits/WFD)
María Reina Zárate aus Tarabuco, eine Teilnehmerin am Forschungsprozess des Centro Juana Azurduy. (Foto: Svenja Jandrasits/WFD)
Die Ergebnisse der Forschung, die auf qualitativen und partizipativen Techniken basierte, zeigen deutlich, dass Veränderung dringend notwendig ist. Die Teilnehmerinnen fordern, dass Betreuung zur Aufgabe aller werden muss: der Angehörigen, insbesondere der männlichen, durch die Übernahme von Sorgearbeit, des Staates durch geeignete Versorgungseinrichtungen und öffentlicher Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Frauen, sozialer Organisationen, indem sie sich mit dem Thema beschäftigen, sowie privater Unternehmen und Institutionen, indem sie die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen fördern.
Die Forschungsergebnisse sind in einer Publikation festgehalten und werden im Rahmen von Dialogveranstaltungen mit politischen Autoritäten und Vertreter*innen sozialer Organisationen sowie Medien verbreitet. Der Prozess hat bereits Veränderungen bei den Teilnehmerinnen selbst und ihrem Umfeld in Gang gesetzt. „Früher fühlte ich mich minderwertig, weil ich eine Frau war. Von mir wurde erwartet, dass ich zu Hause bleibe. Jetzt hinterfrage ich vieles und ich schätze mich viel mehr“, erklärt Celia Vargas Llaveta von der Organisation Nación Originaria Yampara aus Tarabuco. Ziel ist es, die Veränderung nun auch auf die gesellschaftliche Ebene auszuweiten.
Das hauseigene Radio der ZFD-Partnerorganisation CJA, Radio Encuentro (deutsch: Radio Begegnung), behandelt in seinem wöchentlichen Programm Diálogos Urgentes (deutsch: Dringende Dialoge) aktuelle, kontrovers diskutierte Themen. Die Gesprächspartner*innen kommen etwa aus der Zivilgesellschaft oder Politik, zum Teil befinden sie sich selbst in einer Konfliktsituation. Ziel des Radioprogramms ist es, den Dialog zu fördern. Durch Friedensjournalismus verbreitet es Ideen für einen friedlichen Umgang mit den kontroversen Angelegenheiten. Dabei bringt es stets eine Genderperspektive mit ein, um Geschlechtergerechtigkeit zu verwirklichen. Zu den Themen, die bislang im Rahmen der Dialoge behandelt wurden, gehören beispielsweise die „Bedeutung von Überwachungskameras zur Verhinderung von geschlechtsbezogener Gewalt“, die „Verhinderung von Kinder- und Jugendschwangerschaften“ oder die Frage, „inwieweit Schönheitswettbewerbe Gewalt erzeugen“.
„Radio Encuentro wurde gegründet, um ein verantwortungsvolles Medium zu sein. Ein Medium, das Demokratie, Respekt, Gleichheit und Nicht-Diskriminierung fördert und gegen patriarchale Strukturen, gegen Machismo und gegen Gewalt vorgeht“, erläutert CJA-Direktorin Martha Noya. „Hörer*innenbefragungen bestätigen, dass das Radio die Rechte der Frauen und der Menschen verteidigt und dass es ein friedensstiftendes Radio ist. Diese Rückmeldung gibt uns das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein.“
Weltfriedensdienst 08.03.2023
Gepostet in: Aktuelles, Bolivien: Prävention und Konflikttransformation
Von links: Judith Ohene (WFD-Geschäftsführerin), Mariam Sow (Direktorin Enda Pronat), Simone Ramones (WFD-Programmkoordinatorin) und Jean Michel Waly Séne von Enda Pronat bei einem Besuch in Berlin 2022. Foto: WFD
Mariam Sow kommt aus einfachen Verhältnissen, sie wurde als Tochter einer Kleinbauernfamilie auf dem senegalesischen Land geboren. Heute ist die 68-jährige Direktorin von Enda Pronat, einer Organisation, die sich für ökologische Landwirtschaft und Frauenrechte einsetzt. Mariam Sow hat acht Kinder und 13 Enkelkinder. Ihre Kinder haben alle studiert, sie selbst nicht. Wir haben Mariam Sow gefragt, warum sie ihr Leben der ländlichen Welt gewidmet hat.
„Ich habe bis zur sechsten Klasse die Grundschule und dann vier Jahre eine Sekundarschule besucht. Danach habe ich eine dreijährige duale Ausbildung in der Landwirtschaft begonnen. Diese beinhaltete praktische Feldarbeit und theoretische Ausbildung. Es ging dabei schon damals darum, ländlichen Gemeinschaften zu helfen, ihre Situation zu analysieren und gemeinsam Lösungen zu finden. Nach der Ausbildung konnte ich ab 1975 in der Ausbildungsstätte selbst arbeiten.
1983 ging ich zu Enda Pronat, wo ich erstmals mit dem Thema Agrarökologie in Berührung kam. Ich leitete Workshops über die Gefahren des Einsatzes von Pestiziden und chemischen Düngemitteln, über Wüstenbildung und Landverödung. Etwa 1986 begannen wir, mit Frauen in verschiedenen Regionen im Senegal an der Umsetzung agrarökologischer Maßnahmen zu arbeiten. Diese Frauen waren echte Pionierinnen, die bewiesen, dass eine Landwirtschaft ohne Chemikalien möglich ist.
Eine Gruppe Frauen errichten Schutzmaßnahmen gegen Erosionen. Foto: Enda Pronat
Schon während meiner Ausbildung mit 22 Jahren bekam ich meinen ersten Jungen, meine letzte Tochter wurde 1989 geboren. Dass ich es geschafft habe, die Erziehung meiner Kinder und meine Arbeit miteinander zu verbinden, verdanke ich den senegalesischen Werten der Großfamilie.Ich bin zwar die Mutter, aber es gibt den Vater, Cousinen und Cousins, Tanten. Ich arbeitete auf dem Feld. Wenn ein Kind weinte und gestillt werden wollte, brachte man es zu mir, und ich konnte danach weiterarbeiten. Viele Verwandte haben mir geholfen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Das werde ich ihnen nie vergessen.
Aber blicken wir nach vorne: Im Februar 2023 finden die vierten ›Agrarökologischen Tage‹ in unserer Hauptstadt Dakar statt. Dabei sitzen Produzentenverbände, Minister*innen, zivilgesellschaftliche Organisationen wie Enda Pronat und wissenschaftliche Institute aus dem ganzen Land an einem Tisch. Sie tauschen sich drei Tage lang über ihre Erfahrungen und die Herausforderungen der Agrarökologie aus. Am Ende gibt es eine Erklärung mit Verpflichtungen der Zivilgesellschaft und Empfehlungen in Richtung der Ministerien.
Die ›Agrarökologischen Tage‹ sind Momente des Zusammenseins. Es ist Teil der Kultur von Enda Pronat, dass wir unsere Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen mit anderen Akteur*innen teilen. Das wollen wir während der ›Agrarökologischen Tage‹ erreichen: Alle Beteiligten treffen aufeinander, treten in Dialog miteinander. Die Abschlusserklärung wird schließlich über die Medien publik gemacht, und die Bürger*innen werden weiter über Agrarökologie informiert.
Mariam Sow. Foto: Enda Pronat
Ich habe mein Leben der ländlichen Welt gewidmet. Es ging mir immer darum, die Lebensbedingungen der Gemeinschaften zu verbessern. Das ist für mich eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Unsere Stärke ist, dass wir Gemeinschaften helfen können, traditionelles Wissen und wissenschaftliche Erkenntnisse zu kombinieren, um gemeinsame Veränderungen zu erreichen. Damit können wir eine nachhaltige Entwicklung erreichen, bei der sich jeder entsprechend seiner Gegebenheiten entwickeln kann.“
Diesen Artikel ist von Sabine Balk für den Weltfriedensdienst. Er ist im Rahmen der Solidaritätskampagne „Teilen macht satt“ am 21.12.2023 im „nd“ erschienen. Hier geht’s zum Artikel. Die Solidaritätskampagne „Teilen macht satt“ führt „nd“ jedes Jahr zwischen November und Februar gemeinsam mit SODI, INKOTA und dem Weltfriedensdienst durch. Die Spenden der Leser*innen ermöglichen Menschen, eine lebenswerte Zukunft selbst zu gestalten.
Weltfriedensdienst 29.01.2023
Gepostet in: Aktuelles
Fee Schreier und Simone Ramones vom Weltfriedensdienst beim Global Forum for Food and Agriculture 2023
Das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA) ist die weltweit führende internationale Konferenz zu zentralen Zukunftsfragen der globalen Landwirtschafts- und Ernährungspolitik. Sie findet jährlich parallel zur Internationalen Grünen Woche in Berlin statt. Am letzten Tag der Konferenz trafen sich über 70 Agrarminister*innen zur weltweit größten informellen Agrarministerkonferenz. Davor diskutierten rund 2.000 internationale Besucher*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Überarbeitung der Ernährungssysteme, um auf die vielfältigen weltweiten Krisen zu antworten. Wir waren mit dabei.
Nicht nur die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie, auch der Krieg gegen die Ukraine und die zunehmenden Herausforderungen der Klimakrise bedrohen die weltweite Ernährungssicherung massiv. Laut der Weltgesundheitsorganisation leiden aktuell 828 Millionen Menschen Hunger. Und das, obwohl wir für zehn Milliarden Menschen Essen produzieren, es aber nur acht Milliarden Menschen gibt. Hier läuft etwas grundsätzlich falsch!
Um auf die vielfältigen Krisen zu antworten, müssen Ernährungssysteme grundlegend überarbeitet werden. Über 2.000 internationale Teilnehmende aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft diskutierten bei der Konferenz Lösungsansätze für die großen Zukunftsfragen der Land- und Ernährungswirtschaft. Fachbereichsübergreifend müssen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und insbesondere Landwirt*innen gemeinsam an widerstandsfähigen Ernährungssystemen arbeiten. Wie das geht, zeigen die Erfolge der Partnerorganisationen des Weltfriedensdienstes in Simbabwe und Senegal schon lange.
Kleinbäuerinnen und Kleinbauern im Senegal, die durch unserer Partnerorganisation Enda Pronat begleitet werden, setzten beispielsweise die Preissteigerung von künstlichen Düngemitteln nicht zu. Sie düngen seit vielen Jahren mit biologischem Dünger, den sie lokal herstellen und sind daher nicht auf die Einfuhr von künstlichem Dünger angewiesen. Mit der richtigen technischen Unterstützung und mit angepassten Methoden, erwirtschaften sie sogar bessere Erträge als konventionelle Landwirte. Zusätzlich zu guten Ernten, nachhaltiger Bodenwirtschaft und gesunden Nahrungsmitteln sind die agrarökologischen Anbaumethoden folglich auch krisenfest.
Lesen Sie hier, wie der Kleinbauer Mamadou Dia im trockenen Senegal allein durch nachhaltigen Anbau genug für sich und seine Familie erntet.
Ein anderes Beispiel, das Hoffnung gibt, kommt aus Simbabwe. Dort wurde ein Großteil der Bevölkerung des Distrikts Chimanimani bereits 2019 schmerzhaft daran erinnert, dass der Klimawandel die Lebensbedingungen grundlegend verändert. Als der Zyklon Idai im März 2019 über den Landstrich fegte, hinterließ er eine Schneise der Verwüstung. Der Klimawandel ist für die Menschen in Chimanimani zur grausamen Realität geworden, der Tiere und Menschen, sowie deren Hab und Gut nicht verschont. Für unsere Partnerorganisationen TSURO und PORET war klar, dass es so nicht weitergehen kann. Seitdem haben sie ihre Unterstützung für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern noch verstärkt: Mit Systemen wie Wasserernte, agrarökologischen Anbaumethoden und das Zusammendenken von Vieh- und Landwirtschaft breiten sich im Distrikt funktionierende Anpassungsstrategien an den Klimawandel immer weiter aus. Lokale Märkte helfen den kleinbäuerlichen Familien auch in Zeiten von COVID-19 ihre Produkte zu guten Preisen zu verkaufen.
Lesen Sie hier, wie sich die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in Simbabwe durch nachhaltigen Anbau an die Klimakrise anpassen.
Ebenso wie die direkte Zusammenarbeit mit den Erzeuger*innen, steht die Einflussnahme auf politische Entscheidungsträger*innen auf der Agenda unserer Partner. Gemeinsam werden Wege zu mehr Resilienz und weniger Abhängigkeiten erarbeitet. So konnte Enda Pronat sich zum Beispiel an der Erarbeitung des nationalen Landwirtschaftsprogramms im Senegal beteiligen und damit bewirken, dass zehn Prozent der nationalen Subventionen in Biodünger investiert werden.
Beide Beispiele zeigen: Wenn alle Akteur*innen an einem Strang ziehen, werden auch globale Zusammenhänge in nationale Politik einbezogen. Auch für die deutsche Bundesregierung ist „Agrarökologie die Schlüsselstrategie für den Umbau der Ernährungssysteme“, betonte Martin Hoppe vom Bundesentwicklungsministerium beim GFFA. Es braucht einen echten Green Deal – ausgerichtet an agrarökologischen Prinzipien – um Armut, Hunger und Ungleichheit zu überwinden und klimaresiliente Systeme zu schaffen. Wir sind auf die Veränderungen in der Entwicklungs- und Landwirtschaftspolitik gespannt!
Weltfriedensdienst 27.01.2023
Gepostet in: Aktuelles
Nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause findet die Benefizkonzertreihe VOICES dieses Jahr wieder statt und feiert damit ihr 19. Jubiläum.
Freitag | 04.11.2022 | 19:00 Uhr
Trinitatiskirche | Karl-August-Platz
Berlin-Charlottenburg
(U7 Wilmersdorfer Straße)
Berliner Chöre mit einem vielfältigen Repertoire kommen an diesem Abend zusammen und veranstalten ein abwechslungsreiches wie anspruchsvolles Konzert. In diesem Jahr dürfen Sie sich freuen auf:
In der Pause gibt es ein Angebot an Kunsthandwerk aus Handwerksprojekten aus Namibia, z.B. Perlenarbeiten, Postkarten und Stickereien. Für Getränke ist ebenfalls gesorgt.
Der Erlös des Abends kommt Projekten für benachteiligte Kinder in informellen Siedlungsgebieten in Windhoek und Swakopmund zugute. In Zusammenarbeit mit dem Weltfriedensdienst e.V. unterstützt Voices dort die Arbeit von Selbsthilfeinitiativen – den Katutura-Kinderprojekten. Diese betreuen und fördern Kinder in Tagesstätten, unterstützen Schüler*innen mit Lehrmaterialien und Schuluniformen und versorgen sie täglich mit warmen und gesunden Mahlzeiten. VOICES leistet einen kleinen, aber wichtigen Beitrag zur Unterstützung dieser Projekte.
Der Eintritt kostet 10 Euro, ermäßigt 7 Euro.
Kartentelefon: 0179 478 6643
Weltfriedensdienst 15.10.2022
Gepostet in: Aktuelles
Eine rheinische Ära gab es auch beim Weltfriedensdienst – bei uns war es die Dekade von 1987 bis 1997. Sie war politisch und menschlich geprägt durch unseren damaligen Geschäftsführer Eberhard Bauer. „Koordinator“ hieß das seinerzeit bei uns. Das Wort stand für eine Menge widersprüchlicher Erwartungen, aber immer ging es um Kommunikation. Hier war Eberhard in seinem Element. Er bewegte sich gelassen und souverän in der Welt der entwicklungspolitischen Gremien, die wir uns im Rückblick etwas hochmütig als Altherrenklubs vorstellen. Soweit sie das waren, lag es nicht an Eberhard: Er war ein dynamischer Netzwerker, der seine Vertrautheit mit den staatlichen, kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Institutionen auch nutzte, um sie aufzumischen und weiterzuentwickeln. Die Gründung von VENRO sowie der Stiftung Nord-Süd-Brücken sind auch mit seinem Namen verbunden.
Seine große Stärke der persönlichen Kontaktpflege führte zum Erstkontakt des WFD mit der Stiftung Internationale Solidarität und Partnerschaft – und manchmal auch zu Fehleinschätzungen: „Das können die nicht tun“, befand er einmal zur Sorge um wegfallende Fördergelder, und kurz darauf taten „die“ es doch. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel: Eberhard hat den Weltfriedensdienst immer gut verankert und gleichzeitig zur Erneuerung inspiriert. Unsere selbstkritische, antirassistische Inlandsarbeit der neunziger Jahre ruhte auf vielen Schultern, doch der „Koordinator“ hat sie frühzeitig priorisiert und nach Kräften gefördert, als dies in der Szene noch lange nicht in aller Munde war.
Sein Selbstbewusstsein wurzelte in den Traditionen der frühen deutschen Entwicklungspolitik; er richtete sich darin allerdings nicht ein. Das Alte langweilte ihn auch, er sah dessen Reformbedürftigkeit und wagte sich immer wieder lustvoll auf unsicheres Terrain: Junge Mitarbeiter*innen mit neuen Ideen, kurze Hosen im Büro, unkonventionelle Rechtschreibung, bizarre Plakataktionen, Kurse bei der „Weiberwirtschaft“, Dekonstruktion von Männlichkeit, die einsetzende Digitalisierung. Ein Bild: Eberhard am winzigen grünen Display seines gebraucht gekauften Kleincomputers. Unterzeile: „Das genügt völlig. E-Mails werden sich nicht durchsetzen.“ Die blauen Jeans mit rotem Pulli belebten die „Ecke Friedrichstraße“ durch Humor und schützten uns vor der immer naheliegenden ideologischen Verkniffenheit. Bei manchen Themen und Konflikten wich freilich auch Eberhards Jovialität einer gewissen Dickfelligkeit. Immer bereit war er zum Fachgespräch über die Bundesliga. Die jüngsten Erfolge des deutschen Frauenfußballs hat er nicht mehr bei Bewusstsein miterleben können. Sie hätten ihm leisen Zweifel und viel Freude bereitet.
Eberhard ist am 3. September 2022 nach einer langen Zeit im Koma verstorben. Wir hätten ihm gewünscht, sich würdevoll aus seinem Leben verabschieden zu können.
Weltfriedensdienst 08.09.2022
Gepostet in: Aktuelles