Mit dem Friedensfilmpreis der Berlinale werden jährlich Filme prämiert, die durch eindringliche Friedensbotschaften überzeugen. Der 34. Friedensfilmpreis wird am 17. Februar 2019 verliehen. Der Vorverkauf startet am 01. Februar 2019 im Hackesche Höfe Kino.Die Jury hat der Weltfriedensdienst zusammen mit der Heinrich-Böll-Stiftung und der Friedensinitiative Zehlendorf berufen. Unter den 7 Jurymitgliedern sind VertreterInnen aus Film und Produktion, Kunst und Kultur sowie Wissenschaft und Politik..

Zur Jury des Friedensfilmpreises gehört auch Jean Peters. Er erforscht mit dem Peng! Kollektiv neue Taktiken und Strategien der politischen Mobilisierung mit Hilfe von Kunst, Hacking und Aktivismus. Im Interview spricht Jean Peters über sein Engagement in der Jury des Friedensfilmpreises. Die Fragen stellte Martin Zint am 25.01.2019.

„Der Demokratie die Zähne schärfen“

Sie sind in die Jury des Friedensfilmpreis berufen worden. Was reizt Sie an dieser Aufgabe?

Ich bin Cineast, konsumiere unglaublich viel Bild und Ton. Als Juror eines politischen Preises hat man aber einen anderen Blick: Wie kann ich mich in dem Dschungel von Emotionen, Aussagen und Metaebenen mit dem Wertekompass orientieren? Das find‘ ich spannend.

Wovor graut es Ihnen?

Es ist ein dummes Gefühl an den Warteschlangen vor den Kinos vorbeizugehen… Aber anders schaffen wir unser Pensum nicht.

Wie bereiten Sie sich vor?

Ich denke im Moment viel darüber nach, wie sich politische Filme historisch entwickelt haben. Wenn ich an den kolumbianischen Hausbesetzerfilm Caracol von 1993 denke. Damals war das was ganz Besonderes, den haben dann alle geguckt in der linken Szene. Die Tragikkomödie wurde zur Trommel im sozialen Kampf, hat Menschen verbunden und angefeuert. Gibt es sowas heute noch? Und welche Kämpfe sind vielleicht schon im Mainstream angekommen?

Es geht mir viel um den Kit in unserer Gesellschaft – dazu zählen auch Rollenbilder. Wie werden sie repräsentiert? Damit meine ich nicht nur die Redeanteile von Frau und Mann. Sondern etwa wie heute Männlichkeit dargestellt wird. Wie könnten geschlechterübergreifende Allianzen im Kampf gegen das Patriarchat aussehen? Frieden bedeutet für mich nicht nur die gewaltfreie Konfliktlösung, sondern eben auch große Ungerechtigkeiten, so stabil sie auch wirken mögen, zu bekämpfen. Und die werden im Alltag in unsere Haut genäht, in die sind wir alle verstrickt.

Dann interessieren mich auch die Produktionsbedingungen. Finden dezidiert kollektive Prozesse, wie sie im Theater immer üblicher werden, auch in der Filmwelt statt?

Und wenn der Film dann mit Metaebenen spielen kann und künstlerisch überzeugt – dann bin ich glücklich!

Sie sind Aktionskünstler und arbeiten in einem Kollektiv. Manche Ihrer Aktionen wirken nicht besonders friedlich. Stiften Sie Unfrieden?

(lacht) Wir reagieren doch auf Unfrieden. Wir (vom Peng Kollektiv) wählen Themen aus, bei denen wir davon ausgehen, dass sie zu Unfrieden in der Gesellschaft führen. Es gibt leider sehr viele Provokateure, die sich denken: „Komm wir gehen in die Waffen-Lobby und versuchen die stärker zu machen.“ Oder Supermarktketten aufbauen, die auf Ausbeutung basieren. Und da kann man nicht einfach zuschauen. Da fühle ich mich als friedliebender Bürger provoziert und möchte mit Humor, mit Liebe, mit Chuzpe, aber eben auch mit einer ganz klaren Haltung begegnen. Bei diesen rasant wachsenden Machtunterschieden müssen wir der Demokratie die Zähne schärfen!

Das Peng-Kollektiv geht sehr streng mit den NROs in’s Gericht. Wie sehen Sie das, wo Sie jetzt in einer Jury mitarbeiten, die von zivilgesellschaftlichen Gruppen, von NROs getragen wird?

Da unterscheide ich zwischen NGOs und Zivilgesellschaft. Ich bin Teil der Zivilgesellschaft. Ich möchte jetzt nicht zu spitzfindig werden, ich weiß was Sie meinen, aber es gibt auch sehr unterschiedliche NGOs. Also zum Beispiel ist die Stiftung „Familienunternehmen“ der Form nach eine NGO. Aber die ist nur dazu da, die Superreichen zu unterstützen und alle egalitären Gesetze abzuschaffen. Das ist ein Fall des Missbrauchs des Gemeinnützigkeits-Status‘.

Die Kritik, die sie vermutlich ansprechen, richtet sich aber an NGOs die sagen „Wir vertreten mit starker Stimme die Zivilgesellschaft“, wie Amnesty International, Campact und andere große Organisationen. Da muss man doch genau hingucken, wie viel Engagement sie zeigen, gemessen an der Dringlichkeit der Krisen und des besonderen Status, den diese Organisationen durch Anerkennung und Finanzierung genießen einerseits, und dem ständigen Rumdödeln mit Petitionen und Overheadkosten andererseits. Radikale Zeiten brauchen radikalere Maßnahmen. Da wird es manchmal fraglich, ob man NGOs als „Vertreter*innen der Zivilgesellschaft“ bezeichnen kann. Viele NGOs sind viel zu sehr auf ihren Selbsterhalt fixiert – und damit der Marktlogik unterworfen.

Die sollte man auf ihre Haltung überprüfen. Dazu habe ich ein Manifest geschrieben, das „Critical Campaigning Manifest“. Wenn man das NGOs auf den Tisch legt und die sagen, wir halten uns an wenigstens vier dieser elf Punkte, dann ist schon viel gewonnen. Wie sehr ist eine NGO nur noch Steigbügelhalter und macht alles, um mal wieder mit der SPD oder den Grünen an einem Tisch zu sitzen und alles andere ist egal weil es für ihre kleinen Karrieren und ihr Selbstbild wichtig ist. Da muss man aufpassen, dass man nicht in einer Institutionalisierung geschluckt wird und die politische Dimension untergeht.

Wir sind ja auf der Seite der „Guten“, die Böll Stiftung, der Weltfriedensdienst und die Friedensinitiative Zehlendorf. Aber was müsste passieren, dass es trotzdem Peng macht?

(lacht) Da muss man vorsichtig sein, ob Sie oder wir auf der Seite der Guten sind. Es gibt viele die den Begriff Frieden für sich okkupieren wollen. Ich habe das in verschiedenen Friedensinitiativen beobachtet, da muss man genau hinschauen. Da kann es auch ohne das Peng-Kollektiv Peng machen.

Zum anderen, wir haben zu Artikel 26 Grundgesetz komplexe Aktionen gemacht, wo wir z.B. für Heckler und Koch eine Rückrufaktion gestartet haben. In deren Namen haben wir den Händlern geschrieben „Sorry, ihr müsst alle Waffen zurückschicken, im Sinne des Artikel 26, die USA sind kein friedliches Land mehr, wir müssen das mit unserem Grundgesetz in Einklang bringen“. Wir haben noch viele andere Sachen gemacht, das gründet sich alles auf Artikel 26. Da wird es mit Sicherheit noch Aktionen geben, die ein friedliches Miteinander fördern.

Haben Sie einen persönlichen Lieblingsfilm?

Puuh, nee, habe ich wirklich nicht. Da müsste ich einen willkürlich rauspicken. Gerade als Jury-Mitglied halte ich mich da lieber zurück.

30.01.2019

Gepostet in: Aktuelles