Der gefährlichste Ort für Frauen und Kinder war schon vor Corona das eigene Zuhause. Mit der Ausgangssperre nimmt die Gewalt jetzt weiter zu. Unsere Partnerorganisation unterstützt Betroffene in Sucre.

In weiten Teilen Boliviens gilt nach wie vor eine rigorose Ausgangssperre: nur ein Mal pro Woche darf das Haus zu Fuß für einen kurzen Einkauf verlassen werden. Den riesengroßen informellen Sektor in Bolivien trifft das hart. Vor allem indigene Frauen aus ländlichen Gebieten und Migrantinnen im städtischen Raum leben „von der Hand in den Mund“.

Die Anwältinnen und Psychologinnen der Frauenorganisation Centro Juana Azurduy (CJA) beraten von Gewalt betroffene Frauen und Kinder. Mindestens sieben von zehn Frauen erleben Gewalt, vor allem durch Partner und Verwandte. Diese Situation verschärft das Coronavirus nun zusätzlich. Die Hotlines unserer Partnerorganisation werden gerade mit Hilferufen von Frauen und Kindern überflutet.

Lebensmittelspenden: Solidarität ist die wichtigste Waffe gegen das Virus. © ACLO

Isoliert mit dem gewaltbereiten Partner

CJA steht gerade vor allem telefonisch mit Basisorganisationen von Frauen zusammen und berät Frauen, die von Krise besonders hart getroffen sind, weil sie im informellen Sektor arbeiten. Die Anwältinnen von CJA bringen die Taten zur Anzeige, beraten und geben den nötigen Rückhalt. In den ersten vier Wochen der Quarantäne wurden über 1.400 Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt in Bolivien angezeigt. Vier Frauen starben durch häusliche Gewalt. 43 Vergewaltigungen von Kindern wurden publik. CJA befürchtet, dass die Dunkelziffer während des totalen Lockdowns deutlich höher liegt. Zu der Angst vor einer Ansteckung kommt nun die wirtschaftliche Not hinzu – und für viele Frauen das Problem, mit ihren gewalttätigen Partnern in völliger Isolation zu leben.

 

Das Schweigen brechen

Um das Schweigen zu brechen, verbreitet CJA Aufklärungskampagnen über die sozialen Netzwerke und den projekteigenen Radiosender Radio Encuentro. Hier geht es auch um Hilfen der Regierung sowie Maßnahmen zum Schutz vor dem Virus.CJA hat die bolivianische Regierung aufgefordert, mehr zu unternehmen, um Frauen und Kinder während der Quarantäne vor Gewalt zu schützen. Die Organisation setzt auch auf Vernetzung und Nachbarschaftshilfe. „Solidarität ist die wichtigste Waffe gegen das Coronavirus“, lautet die einvernehmliche Meinung im Team. Nur gemeinsam sind Frauen stark.

 

Hilfsmaßnahmen der Regierung

Für viele Bolivianer*innen bedeutet die Quarantäne kein Einkommen und das seit Mitte März. Die Regierung hat zwar mittlerweile Hilfszahlungen an Bedürftige gestartet, aber diese sind so niedrig, dass sie die Not nur leicht lindern können. Bei diesen Barauszahlungen kommt es immer wieder zu großen Menschenansammlungen. In entlegenen Gebieten kommt das Geld oft gar nicht an, weil es keine Banken gibt und die Menschen nicht in Nachbarorte reisen dürfen. Zum Teil haben die Banken auch nicht genügend Bargeld, um die Unterstützung auszuzahlen.

Ein überfordertes Gesundheitssystem

Innerhalb von zwei Wochen stieg die Zahl der Infizierten von offiziell 950 auf 2.556 Infizierte (Stand: 10. Mai 2020). Doch die Dunkelziffer dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Das Gesundheitssystem ist nicht auf die Behandlung von Covid19-Patienten vorbereitet.Für die 11 Millionen Bolivianerinnen und Bolivianer standen Ende April nur 60 Intensivbetten und 20 Beatmungsgeräte bereit. Tests werden nur wenige durchgeführt und es gibt kaum geeignete Labore im Land.

 

 

14.05.2020

Gepostet in: Aktuelles, Bolivien: Prävention und Konflikttransformation