Eine Zwischenbilanz zur Halbzeit der Ampel-Koalition


Ein breites Spektrum von Organisationen und Verbänden hat das Engagement der Bundesregierung in Bezug auf Agrarökologie und Nachhaltigkeit überprüft. Das so entstandene Bilanzpapier wurde am 17.01.24 in der Heinrich-Böll-Stiftung Berlin im Rahmen der Grünen Woche vorgestellt und diskutiert. Simone Ramones, Programmkoordinatorin des Weltfriedensdienstes für Senegal und Simbabwe, und Bildungsreferentin Larissa Walker geben Einblicke.

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Licht und Schatten

Bei der Veranstaltung wurde betont, dass unser Agrar- und Ernährungssystem eine Transformation braucht: Die Agrarökologie bietet durch ihren holistischen Ansatz die Lösung zu den multiplen Herausforderungen. Doch wie sieht es mit der Umsetzung und dem Stellenwert der Agrarökologie innerhalb der Bundesregierung aus?

Es gibt positive Trends: Die Halbzeitbilanz der Ampel-Regierung und der Agenda 2030 (UN-Aktionsplan für nachhaltige Entwicklung) zeigt einen klaren Fokus auf das Entwicklungsziel „Kein Hunger“ und die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft. Die Bundesregierung erkennt die Bedeutung der Agrarökologie auf internationaler Ebene an und zeigt ein verstärktes Engagement in internationalen Foren.

Aber es werden weiterhin politische Rückschritte beobachtet. Zum Beispiel:

1. Die Chancen für die Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme wurden nach den globalen Krisen (COVID-19-Pandemie, geopolitischen Spannungen) nicht genutzt. Anstatt umfassende agrarökologische Lösungen zu fördern, wurden einseitige Maßnahmen ergriffen, die auf die kurzfristige Steigerung der Produktion abzielen. Dazu sagte Elizabeth Cruzada von APEX: „Wir können nicht nur auf kurzfriste Produktionssteigerungen schauen, sondern brauchen langfriste resiliente Lösungen für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern in den Philippinen. Hierfür braucht es einen starken politischen Willen.“

2. Die Förderung von synthetischen Stickstoffdüngern wurde ausgeweitet, während Bio-Dünger und agrarökologische Ansätze vernachlässigt wurden. Initiativen zur Düngerproduktion aus grünem Wasserstoff könnten Kleinbäuerinnen und Kleinbauern an nicht-nachhaltige Chemikalien binden und erinnern eher an die gescheiterte Grüne Revolution als an langfristige ökologische Lösungen. Diese Risiken scheinen dem BMZ durchaus bewusst zu sein – denn Jens Busma betonte die Notwendigkeit, solche Initiativen mit Vorhaben zur langfristigen Bodengesundheit zu kombinieren.

3. Agrarökologische Ansätze werden in den Strategien des BMZ nicht ausreichend anerkannt. Weder in der Afrika-Politik des BMZ noch in der Strategie zur Transformation der Ernährungssysteme wird konsequent auf Agrarökologie als Lösungsansatz gesetzt.

Fazit: Trotz einiger positiver Entwicklungen fehlt es an einer konsequenten und kohärenten Regierungspolitik zur Stärkung der Agrarökologie. Und das obwohl die Dringlichkeit einer umfassenden Agrar- und Ernährungstransformation durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Klimakrise und andere globale Herausforderungen immer deutlicher wird. Deswegen sollte Agrarökologie als zentrales Element für nachhaltige Ernährungssysteme und Klimaschutz verankert werden.

Dafür formuliert das Bündnis klare Empfehlungen an die Bundesregierung:

  1. Institutionelle Verankerung der Agrarökologie: Es wird gefordert, dass Agrarökologie bis zum Ende der Legislaturperiode in Form eines eigenen Referats im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) institutionell verankert wird.
  2. Förderung agrarökologischer Projekte: Die finanzielle Förderung sollte konsequent und nachhaltig erhöht werden. Dies umfasst die Fortführung der Förderung von Wissenszentren für organischen Landbau und Agrarökologie sowie die Etablierung neuer Förderprogramme.
  3. Transparente Austauschformate: Es wird die Stärkung des Runden Tisches Agrarökologie als zentrale Plattform gefordert. Die Teilnahme sollte auf verschiedene Akteure ausgeweitet werden und das Format an der politischen Agenda orientiert sein.
  4. Politikkohärenz und internationale Zusammenarbeit: Die Bundesregierung sollte sich für eine ressortübergreifende Politikkohärenz einsetzen und Agrarökologie als zentrales Element in bilateralen Kooperationsprojekten und internationalen Strategien, insbesondere in der Zusammenarbeit mit Afrika, verankern. Leonard Mizzi von der EU-Generaldirektion der internationalen Zusammenarbeit und Entwicklung betonte dabei: „Die Umsetzung der agrarökologischen Lösungen kann nur in Zusammenarbeit mit den Regierungen der Länder funktionieren. Top-Down Ansätze aus Brüssel finden keinen Zuspruch.“
  5. Schädlichen Praktiken wie dem Export hochgefährlicher Pestizide und der Deregulierung von Gentechnik sollte sich konsequent entgegen gestellt werden.

Mit mehr als 80 Teilnehmenden war die Veranstaltung ein voller Erfolg. Trotz der kurzfristigen Änderung der Podiumsbesetzung, gab es spannende Diskussionen zu verfolgen mit interessanten Einblicken in die politischen Prozesse und Prioritäten der internationalen Zusammenarbeit durch Vertreter von BMZ und EU.

Zusätzlich berichtete Yara Ward (Jibal) eindrücklich von den Erfolgen der agrarökologischen Projekte im Libanon und machte Mut, dass Agrarökologie auch in krisenbehafteten Ländern Lösungen bietet für den Aufbau eines Ernährungssystems basierend auf Partizipation, Regionalität und Gerechtigkeit. Dass sie funktioniert beweisen die Partnerorganisationen des WFD in Senegal und Simbabwe bereits seit vielen Jahren.

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Das Bilanzpapier können Sie hier lesen.

Veranstaltungsmitschnitte finden Sie auf dem Youtube-Kanal der Henrich-Böll-Stiftung – auf deutsch und englisch.

 

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18.01.2024

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