WFD-Stellungnahme

Israel hat sechs palästinensische Menschenrechtsorganisationen zu „Terrororganisationen“ erklärt. Betroffen sind auch unsere Partner Al-Haq und Defense for Children International-Palestine.
Der Weltfriedensdienst steht an ihrer Seite: Menschenrechtsarbeit darf nicht kriminalisiert werden.

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Shawan Jabarin, General Director unserer langjährigen Partnerorganisation Al-Haq in Palästina (c) Al-Haq

 

Der Beschluss der israelischen Regierung richtet sich auch gegen zwei unserer Partnerorganisationen: Betroffen sind

  • die renommierte Menschenrechtsorganisation Al-Haq, mit der wir seit 2014 zusammenarbeiten. Sie adressiert Verstöße gegen Menschenrechte in den palästinensischen Gebieten sowohl durch die israelischen Besatzungsorgane als auch durch die palästinensischen Behörden;
  • und Defense for Children International-Palestine, die seit fast 30 Jahren Kinderrechte verteidigt und inhaftierten Kindern Rechtsbeistand bietet.

Wir sehen in dem Vorstoß des israelischen Verteidigungsministers eine systematische Eskalation, um die israelische Vorherrschaft in den besetzten Gebieten zu zementieren, die Arbeit der prominenten zivilgesellschaftlichen Organisationen Palästinas zum Erliegen und die internationale Gemeinschaft mit dem unbelegten Terrorismusvorwurf „auf Kurs“ zu bringen.

Wir beobachten seit Jahren, dass der Handlungsspielraum zivilgesellschaftlicher Akteure massiv eingeschränkt wird. Die De-Legitimierung zivilgesellschaftlicher Gruppen untergräbt die Erfolgsaussicht einer friedlichen Lösung im Nahostkonflikt. Unsere Partner spielen eine entscheidende Rolle bei der Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten – ohne ihre Arbeit wäre Strafverfolgung nicht mehr möglich.

Dieser Vorstoß ändert nichts an unserer solidarischen Unterstützung von Al-Haq und Defense for Children International-Palestine und von  anderen Partnerorganisationen des Weltfriedensdienstes in Palästina und Israel.

Wir betrachten es als Privileg, mit unseren palästinensischen und israelischen Partnern zusammenzuarbeiten. Selbstverständlich stehen wir weiterhin solidarisch an ihrer Seite.

Der Weltfriedensdienst verurteilt entschieden die Kriminalisierung der Arbeit palästinensischer Menschenrechtsverteidiger*innen.

 

Hintergrund

Israels Verteidigungsminister Benny Gantz hat sechs bekannte palästinensische Menschenrechtsorganisationen zu „Terrororganisationen“ erklärt. Die unbelegte Begründung: die Menschenrechtsorganisationen agierten als Arm der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP).

Alle sechs Organisationen betreiben Menschenrechtsarbeit:

  • Die mit dem französischen Menschenrechtspreis ausgezeichnete Organisation Al-Haq dokumentiert Verstöße gegen Menschenrechte in den palästinensischen Gebieten.
  • Die palästinensische Sektion von Defense for Children International setzt sich für den Schutz von Kinderrechten ein.
  • Auf Israels Terrorliste stehen zudem Addameer Prisoner Support and Human Rights Association, die politischen Gefangenen Rechtsbeistand bietet, die Frauenrechtsorganisation Union of Palestinian Women‘s Committees, das Bisan Center for Research and Development sowie die Union of Agricultural Work Committees, die sich für palästinensische Landwirt*innen einsetzt.

Die Einstufung als Terrororganisation erfolgt auf der Grundlage eines israelischen Gesetzes von 2016, das die Aktivitäten dieser zivilgesellschaftlichen Gruppen effektiv verbietet. Es ermächtigt die israelischen Behörden, Büros der betroffenen Organisationen zu schließen, ihr Vermögen zu beschlagnahmen und ihre Mitarbeiter*innen zu verhaften, und es verbietet die Finanzierung oder sogar die öffentliche Unterstützung ihrer Aktivitäten.

Die jüngste Entscheidung von Verteidigungsminister Gantz fußt auf Militärrecht. Angeblich vorhandene Beweise werden geheim gehalten. So schafft die israelische Regierung eine Form der Beweisumkehr. Nicht die Vorwürfe müssen bewiesen werden, sondern die Unschuld der Betroffenen.

Der unbelegte Vorwurf terroristischer Aktivitäten folgt der seit Jahrzehnten praktizierten Besatzungslogik, diejenigen zu kriminalisieren, die der Siedlungspolitik und den Menschenrechtsverletzungen die Stirn bieten. Alle betroffenen Organisationen werden seit Jahren permanent durch Teile der israelischen Regierung angegriffen. Dabei werden internationale Geber zunehmend unter Druck gesetzt, die Arbeit dieser palästinensischen Organisationen nicht weiter zu finanzieren.

Gantz‘ Vorstoß vom 22.10.2021 kam aber offensichtlich auch für Teile der israelischen Regierung unerwartet; sie forderten Gantz auf, konkrete Beweise zu vorzulegen, die zu seiner Entscheidung geführt haben. Verkehrsministerin Merav Michaeli kritisierte die Erklärung und sagte: „Der Staat Israel hat nun mit den Konsequenzen zu kämpfen. Es ist ein Schaden, der die Interessen des Staates beinträchtigen könnte und hätte nicht auf diese Weise geschehen dürfen.“

Die Anordnung ist noch nicht in Kraft getreten und die betroffenen Organisationen bereiten sich auf einen langwierigen Rechtsstreit vor.

 

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Artikel und weitere Stellungnahmen zur Einordnung des Vorstoßes des Verteidigungsministers:

Stimmen unserer Partner:

Gemeinsame Stellungnahme der betroffenen Menschrechtsorganisationen

Al-Haq

Defense for Children International-Palestine

 

Internationale Stimmen:

UN-Einrichtung für Menschenrechte (OHCHR)

Human Rights Watch & Amnesty International

 

Deutsche Presse:

Der Spiegel

Deutsche Welle

taz

Welt

 

Informieren Sie sich hier über unsere Menschenrechtsarbeit in Palästina und Israel.

 

 

 

28.10.2021

Gepostet in: Aktuelles