Interview mit unserer Medienfachkraft Katja Dombrowski
Der Weltfriedensdienst arbeitet derzeit weltweit mit 39 Partnerorganisationen zusammen. Dabei unterstützen 24 internationale Fachkräfte die Teams bei ihrer Arbeit.
Eine davon ist unsere Kollegin Katja Dombrowski, die als Medienfachkraft in Bolivien angestellt ist. Sie unterstützt dort unsere Partnerorganisationen ISALP, ACLO und CJA bei ihrer Arbeit. Unsere bolivianischen Partner*innen fördern die politische Beteiligung benachteiligter Gruppen und die gewaltfreie Vertretung ihrer Rechte. Wichtige Zielgruppen sind Frauen, Indigene und die benachteiligte Landbevölkerung.
Was beeindruckt Katja in Bolivien besonders? Was motiviert sie? Was bewirken unsere Partnerorganisationen vor Ort? Und welchen Unterschied macht die Arbeit von Katja?
Das erfahren Sie in unserem Interview mit ihr.
Katja, was ist eine Medienfachkraft?
In unserer Arbeit hier in Bolivien geht es vor allem darum, Konflikte gewaltfrei zu bearbeiten und eine Kultur des Friedens zu fördern. Als Medienfachkraft berate ich die Partnerorganisationen und ihre Zielgruppen in ihrer Presse- und Medienarbeit. Ich bin deshalb vor allem mit Menschen in Kontakt, die im Bereich Kommunikation tätig sind. Der Schwerpunkt liegt darauf, eine konfliktsensible Berichterstattung zu stärken.
Was versteht Ihr unter konfliktsensibler Berichterstattung?
Berichtende haben eine große Verantwortung dafür, wie ein Konflikt dargestellt wird. Die konfliktsensible Berichterstattung gibt einen Rahmen vor, wie Themen friedensfördernd und deeskalierend aufbereitet werden können. Dazu benötigen die Teams das richtige Know-How. Hier komme ich ins Spiel.
Kannst du uns ein Beispiel geben?
In meiner journalistischen Ausbildung habe ich gelernt, wie ich sachlich und nicht einseitig berichten kann. Wie ich Probleme und Herausforderungen benenne, ohne jemanden zu diffamieren oder vorzuverurteilen. Oder auch wie ich Kontroversen darstellen kann, ohne einen Konflikt weiter anzuheizen – über welche Medien auch immer. Diese Grundlagen fehlen vielen Menschen, die Nachrichten in Umlauf bringen. Das gilt übrigens nicht nur für Bolivien.
Aber dort gibt es besondere Herausforderungen?
Hier gibt es zum Beispiel ehrenamtliche Reporter*innen auf dem Land, die keine journalistische Ausbildung haben. Gleichzeitig sind sie aber oft die einzigen, die überhaupt aus ihrem Dorf berichten. Unsere Partnerorganisation ACLO schult diese Reporter*innen im Umgang mit Informationen und wie sie diese konfliktsensibel aufbereiten können. Ich unterstütze sie dabei mit meinem Wissen, meinen Erfahrungen und mit meiner Perspektive als vom Konflikt nicht unmittelbar Betroffene.
Wie wirkt sich das konkret aus?
Gehen wir davon aus, zwei Gemeinden streiten um die Nutzung von Wasserressourcen. Die eine Gemeinde wendet sich an eine ehrenamtliche Reporterin, damit sie darüber berichtet. Weil sie von ACLO geschult wurde, stellt die ehrenamtliche Reporterin nun aber auch die Interessen und Bedürfnisse der Menschen aus der Nachbargemeinde dar. Sie berücksichtigt nicht nur die Stimme, die sie angesprochen hat, sondern holt auch die Perspektive der Gegenseite ein und stellt sie dar. Das kann zu gegenseitigem Verständnis und zur friedlichen Lösung des Konflikts beitragen. So bauen wir langfristig von der Basis der Gesellschaft aus das notwendige Know-How für eine konfliktsensible Berichterstattung auf.
Eure Arbeit macht also einen wichtigen Unterschied?
Ja, das denke ich. Es gibt viele Menschen in Bolivien, die keinen Zugang zu Medien haben. Menschen, die arm sind, die weit weg von der nächsten Stadt leben und die keine oder wenig Schulbildung bekommen konnten. Die Lebensrealität, Ansichten, Wünsche und Bedürfnisse dieser Menschen haben aber die gleiche Berechtigung wie die aller anderen Bolivianer*innen. Unsere Partnerorganisationen helfen dabei, diese Menschen und ihre Anliegen hör- und sichtbar zu machen und sie so auch am öffentlichen Leben teilhaben zu lassen. Und das ist sehr wichtig! Denn polarisierende Berichterstattung bis hin zu Hassrede, Falschinformationen und Repressionen gegen Journalist*innen sind in Bolivien weit verbreitet. Das schwächt die Demokratie und die freie Meinungsbildung und steht im Widerspruch zu den Menschenrechten und zur Kultur des Friedens.
Mit welchen Fällen hast Du aktuell zu tun?
Gerade bin ich dabei, eine große Medienkampagne zu koordinieren. Unsere drei Partnerorganisationen wollen dieses Jahr gemeinsam über psychische Gewalt gegen Frauen in der Partnerschaft aufklären. Das ist ein Thema, das bisher nicht im Fokus der Aufmerksamkeit stand.
Was beeindruckt dich am meisten in Zusammenarbeit mit den lokalen Kolleg*innen?
Mich beeindruckt das Engagement meiner Kolleginnen und Kollegen in den Partnerorganisationen. Sie setzen sich mit viel Empathie für Menschen ein, die schlechter dastehen als sie selbst. Um sie zu erreichen, fahren sie stunden-, manchmal tagelang auf kurvigen schlechten Straßen durch die Anden, übernachten auf 4000 Metern Höhe in ungeheizten Räumen und verbringen weniger Wochenenden mit der eigenen Familie als unterwegs. Dabei macht man sich in Bolivien nicht nur Freunde, wenn man sich beispielsweise für sexuelle Selbstbestimmung einsetzt oder von Gewalt betroffenen Frauen hilft, sich von ihrem Partner zu trennen. Einzelne Kolleginnen haben auch schon Drohungen erhalten. Trotzdem machen sie weiter.
Was motiviert dich?
Ich selbst bin vor vielen Jahren Journalistin geworden, weil ich Menschen Gehör verschaffen wollte, deren Stimme nicht gehört wird bzw. die sie in vielen Fällen gar nicht erheben (können). Von ihnen gibt es viele in Bolivien. Ich bin also genau richtig hier!
Mit Sack und Pack nach Bolivien: Wie klappt das mit deiner Familie? Welche Herausforderungen gibt es?
Erstens: Es klappt gut. Und zweitens: Ja, es gibt eine ganze Menge Herausforderungen. Angefangen bei der Sprache, die für den größeren Teil der Familie neu war, über die Schule (wir haben drei jugendliche Töchter), die so ganz anders funktioniert als in Deutschland, bis hin zu lieb gewonnenen Freizeitaktivitäten, die wir in Sucre nicht weiterführen können. Hier ist halt vieles anders als in Deutschland. Das war uns allen vorher klar und liegt ja auch auf der Hand. Wir alle wollten die Veränderung und haben uns deshalb auf das Abenteuer Bolivien eingelassen.
Gibt es vielleicht etwas, was du an Deutschland vermisst?
Seit mein Mann uns täglich ein Sauerteigbrot backt – nein. Kleiner Scherz. Tatsächlich vermisse ich Deutschland als Land gerade nicht, aber schon einige Menschen dort, die jetzt für mich weit weg sind. Wenn der Umzug nach Bolivien für immer wäre, würde mir bestimmt das eine oder andere einfallen. Aber so ist es ein Aufenthalt auf Zeit, und mein Herz ist hier und Heimweh nicht vorhanden.
Hast du in Bolivien schon ein Lieblingsessen gefunden?
Das ist etwas schwierig, denn jedes „richtige Essen“ in Bolivien hat als Hauptbestandteil Fleisch, und ich bin Vegetarierin. Aber der Markt bietet eine riesige Auswahl an Gemüse, Getreide, Obst und Nüssen, so dass es überhaupt kein Problem ist, zu Hause lecker zu kochen. Meine älteste Tochter ist eigentlich Veganerin. Das hat sie hier nicht durchgehalten. Die Auswahl ist außer Haus einfach zu klein, und immer nur Reis und Kartoffeln machen halt auch nicht glücklich. So isst sie jetzt in Bolivien vegetarisch und später in Deutschland wieder vegan. Das ist eine der Anpassungsleistungen.
Wenn Du drei Wünsche frei hättest, was würdest Du Dir wünschen?
Drei Wünsche, egal, wie groß? Dann wünsche ich mir erstens, dass alle Menschen auf der Welt in Frieden zusammenleben und nie wieder Krieg führen. Zweitens gleiche Chancen und Möglichkeiten für alle. Und drittens eine große, weltweite Transformation hin zu einer nachhaltigen Lebensweise.