Die israelische Organisation Zochrot sowie unsere langjährigen palästinensischen Partnerorganisationen Al-Haq und Defense for Children International – Palestine (DCIP) verlieren ihre Fördermittel der Bundesregierung – trotz ihres gewaltfreien Engagements für Frieden und Menschenrechte.
Hintergrund der Entscheidung
Seit Jahren geht die israelische Regierung gegen die kritische palästinensische und israelische Zivilgesellschaft vor. Sie greift sie an und versucht, sie durch Desinformationskampagnen zu delegitimieren. Auf Basis von Fehlinformationen oder konstruierten Vorwürfen beschuldigt sie die Organisationen, Verbindungen zu Terrorismus zu haben oder antisemitisch zu sein.
Im Oktober 2021 stufte die israelische Regierung sechs prominente palästinensische zivilgesellschaftliche und Menschenrechtsorganisationen als „terroristischen Vereinigungen“ ein, ohne Beweise vorzulegen. Neun europäische Außenministerien, darunter Deutschland, wiesen diese Vorwürfe 2022 zurück. Die Bundesregierung setzte die Finanzierung zunächst fort.
Förderpolitische Kehrtwende
Im Dezember 2023 änderte die deutsche Regierung ihre Haltung und stoppte jegliche Förderung der sechs Organisationen. Sie forderte uns auf, die Zusammenarbeit mit unseren beiden langjährigen Partnerorganisationen Al-Haq und DCIP im Westjordanland zu beenden. Eine offizielle Begründung für den plötzlichen Förderstopp gab es nicht, obwohl die Projekte zuvor genehmigt oder verlängert worden waren.
Al-Haq, die älteste Menschenrechtsorganisation Palästinas, hatte über Jahrzehnte Unterstützung von deutschen Partnern erhalten. Ihre Arbeit war stets geschätzt und hatte nie Bedenken ausgelöst. Ende 2024 strich die Bundesregierung auch die Mittel für die israelische NGO New Profile und unsere israelische Partnerorganisation Zochrot. Insgesamt entzog sie seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 13 NGOs in Palästina und Israel die Fördermittel.
Schrumpfender Raum für kritische Zivilgesellschaft
Parallel dazu verschärft die israelische Regierung ihre Angriffe auf die Zivilgesellschaft. Anfang 2025 führte sie eine neue Registrierungsstruktur für internationale NGOs ein, die deren Arbeit in Israel, dem Westjordanland und dem Gazastreifen erheblich erschwert oder unmöglich macht. Zudem plant sie neue Besteuerungsgesetze, um Menschenrechtsorganisationen weiter einzuschränken. Auch WFD-Partnerorganisationen sind betroffen.
Der Förderstopp der deutschen Bundesregierung verkleinert den Raum für politischen Dialog und öffentliche Debatte in Israel und Palästina. Damit schwinden die Chancen auf einen gerechten Frieden in der Region. Mit dieser Entscheidung erweist die Bundesregierung den Menschen vor Ort einen Bärendienst.
Wer ist betroffen?
Al-Haq („das Recht“) ist eine der ältesten und bekanntesten Menschenrechtsorganisationen im arabischen Raum. Ihr Sitz liegt im Westjordanland. Für ihr Engagement erhielt Al–Haq zahlreiche Menschenrechtspreise.
2014 trat Al–Haq vor dem Internationalen Strafgerichtshof gegen Israel auf. Im November 2024 erließ das Gericht einen Haftbefehl gegen Premierminister Benjamin Netanjahu wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Viele Quellen aus der Zivilgesellschaft und Recherchen des Guardian legen nahe: Al–Haq steht wohl wegen der Aussage von 2014 auf Israels „Terrorliste“.
Unser Projekt mit Al-Haq stärkte die Menschenrechte in den besetzten palästinensischen Gebieten und förderte die Anwendung des Völkerrechts in Analysen und Debatten zu Palästina und Israel. Al-Haq bildet lokale und internationale Expert*innen, Diplomat*innen, Studierende und Menschenrechtsaktivist*innen in juristischen und historischen Fragen der Menschenrechtsarbeit im besetzten Palästina weiter. Auch die EU-Polizeimission und Mitarbeitende verschiedener diplomatischer Vertretungen nehmen bzw. nahmen an den jährlichen Fortbildungen teil. Al-Haq hat Beratungsstatus beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat.
Defense for Children International – Palestine (DCIP) dokumentiert Menschenrechtsverletzungen an palästinensischen Kindern und Jugendlichen und vertritt sie vor israelischen Militärgerichten. DCIP untersucht schwere Übergriffe an Kindern und Jugendlichen durch das israelische Militär und leistet in Notfällen Rechtsbeistand.
2023 produzierte DCIP 36 kurze Videos über die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen in Palästina. Die Filme zu Gesundheit, Bildung, Militärgewahrsam sowie Verletzung und Tötung palästinensischer Kinder wurden über 2,4 Millionen Mal abgerufen. Im selben Jahr engagierte sich DCIP bei mehr als 90 Treffen in den USA, Kanada und der EU und organisierte 25 Seminare und Informationstouren in Palästina, um die Rechte palästinensischer Kinder zu stärken.
Zochrot („Erinnerung“) ist eine israelische Organisation, die in der jüdischen Öffentlichkeit Israels für die Anerkennung der „Nakba“ und das Rückkehrrecht palästinensischer Geflüchteter und ihrer Nachkommen eintritt. „Nakba“ – Arabisch für „große Katastrophe“ –bezeichnet die Zerstörung von über 600 Dörfern und Städten sowie die Vertreibung und Flucht von mehr als 700.000 Palästinenser*innen vor und während des arabisch-israelischen Krieges von 1948 durch zionistische Paramilitärs und die israelische Armee. Die „ongoing Nakba“ meint die bis heute andauernde Verfolgung und Vertreibung von Palästinenser*innen durch Israel.
Zochrot macht die Geschichte der Nakba zugänglich: mit Führungen durch zerstörte Dörfer, Kursen, Workshops, Kampagnen, Veranstaltungen und einer dreisprachigen App mit umfangreicher Datenbank. Die Organisation entwickelt neues Wissen, Lernmaterialien und Lehrmittel für Israelis, die sich mit der Geschichte auseinandersetzen und Veränderung anstoßen wollen.
Für uns bildet das internationale Recht die Grundlage, um den Nahostkonflikt anzugehen. Mehr erfahren über unsere Projektarbeit in Palästina und Israel.