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Demokratie leben trotz politischer Instabilität

Guinea-Bissau
Frauen stärken
Konflikte bearbeiten
Politik verändern
1. Oktober 2025

Wie Erstwähler*innen in Guinea-Bissau ihre Stimme für Demokratie erheben

Als Josefa Sabina Fernandes da Silva (Foto re. Seite) zum ersten Mal vom Bildungsformat Fanadu hörte, dachte sie, es sei eine gute Gelegenheit, etwas zu essen zu bekommen. Was sie jedoch bekam, war weitaus wertvoller: eine neue Perspektive auf sich selbst, auf ihr Land – und auf ihre Rolle darin.

Der Fanadu richtet sich an Erstwähler*innen in Guinea-Bissau. In einem Land, das von Armut, politischer Instabilität und großen gesellschaftlichen Spannungen geprägt ist, schaff t das Projekt geschützte Räume, in denen Jugendliche lernen, was Demokratie bedeutet und wie sie selbst aktiv werden können. Sie lernen, wie sie Verantwortung für das Gemeinwesen übernehmen und Konflikte gewaltfrei lösen können.

„Als sie uns fragten, wer die Lage in Guinea-Bissau verbessern kann, habe ich gesagt: ich!“, erinnert sich Josefa. „Früher habe ich immer gewartet, dass jemand anderes etwas tut. Jetzt weiß ich: Ich kann selbst Teil der Lösung sein.“ Diese Erkenntnis prägt Josefas Alltag. Sie spricht heute ruhiger, vermittelt in Konflikten und achtet auf ihre Ausdrucksweise – denn als Vorbild kann sie nur wirken, wenn sie selbst das lebt, was sie anderen weitergibt.

Besonders eindrücklich sei für sie die Übung gewesen, schmerzhafte Erinnerungen in den Sand zu schreiben – und damit negative Erfahrungen loszulassen. „Es war, als hätte jemand einen schweren Stein von mir genommen“, sagt sie. Der Fanadu hat bei ihr einen Wandel angestoßen: weg von Wut, Resignation und Passivität hin zu Versöhnung, Wissen und Engagement.

Durch ihre Verbindung zum Friedensforum unserer Partnerorganisation, die das Bildungsformat organisiert, wurde Josefa Teil eines Netzwerks, das weit über das lokale Jugendprojekt hinauswirkt.

Wie funktioniert das Jugendprojekt?

Im Zeitraum von zwölf Wochen beschäftigen sich rund 250 Jugendliche an elf Orten in gemischtgeschlechtlichen Gruppen mit politischer Bildung, Geschlechtergerechtigkeit, gewaltfreier Konfliktbearbeitung und Bürger*innenrechten. Sie besuchen das Parlament, verschiedene Behörden oder auch Radiosender und diskutieren dort über gegenwärtige Machtverhältnisse und über die Frage „Wie kann ich mein Land mitgestalten?“

Der Fanadu wirkt: Über 50 Absolvent*innen wurden 2023 als Wahlbeobachter*innen zugelassen, viele sind heute in Friedenskomitees aktiv oder bilden selbst neue Teilnehmende aus. Was hier entsteht, ist mehr als ein Bildungsformat – es ist eine Bewegung junger Menschen, die sagen: Unsere Zukunft beginnt jetzt.

Sie sprach mit traditionellen Autoritäten, erfuhr mehr über die Geschichte ihrer Ethnie, der Pepel, und lernte demokratische Entscheidungsprozesse kennen. Auch ihr Zugang zu politischer Bildung veränderte sich: „Früher ging ich nur zu Wahlveranstaltungen, um Livemusik zu hören oder etwas zu essen zu bekommen – heute informiere ich mich über Programme, denke nach und wähle bewusst.“

Eine weitere neue Erfahrung: das Theater. Obwohl sich Josefa früher nie traute, vor Menschen aufzutreten, ist sie heute Teil einer Theatergruppe, die soziale Themen aufgreift und mit der Gemeinde diskutiert. „Wir stellen die Probleme auf die Bühne, damit die Menschen sich selbst darin erkennen und mit uns gemeinsam nach Lösungen suchen.“

Viele Jugendliche aus der Fanadu-Gruppe engagieren sich jetzt auch auf Gemeindetreffen, in Wahlkommissionen oder bei der Organisation weiterer Jugendprojekte. Ihre Erfahrung zeigt, wie nachhaltig ein gut gestaltetes Bildungsprogramm wirken kann – gerade in einem Umfeld, in dem Jugendlichen oft Perspektiven fehlen. Die Nachfrage nach Plätzen im Fanadu wächst stetig. „Immer wieder werde ich gefragt, wann es weitergeht, ob man sich noch anmelden kann“, erzählt Josefa. Sie ist heute Kassenwartin der Gruppe, sie nimmt ihre Aufgabe ernst, ist zuverlässig und präsent. „Ich habe nie ein Treffen verpasst – eher lasse ich die Wäsche liegen und hole das am Sonntag nach.“

Was wie ein einfaches Jugendprojekt begann, bringt eine ganze Generation in Bewegung. Der Fanadu zeigt, wie viel junge Menschen bewirken können, wenn man ihnen zuhört, sie stärkt und ernst nimmt.

Headerbild: Jasmina Barckhausen

Michaela Balke
Programmkoordinatorin Burundi, Guinea, Guinea-Bissau