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Kultur des Friedens stärken

Stellen Sie sich vor, Sie leben im Süden Boliviens, abseits der wirtschaftlichen und politischen Zentren. Sie dürfen nicht selbst entscheiden, wie Sie leben wollen. Ihnen werden gesellschaftlich weniger Rechte zugestanden als anderen, obwohl diese gesetzlich für alle verankert sind. Die Gesellschaft diskriminiert sie. All das, weil Sie eine Frau sind. Celia Vargas Llaveta hat das erlebt.

Projektsteckbrief
Region:
Mittel- und Südamerika
Land:
Bolivien
Schwerpunkte:
Aktionsforschung
Friedenjournalismus
Friedenspädagogik
Geschlechtergerechtigkeit
Konfliktbearbeitung

Eine junge Frau geht ihren Weg

„Früher fühlte ich mich minderwertig, weil ich eine Frau bin. Von mir wurde erwartet, dass ich zu Hause bleibe und daran habe ich mich gehalten. Doch damit habe ich mich selbst abgewertet. Ich werde diskriminiert, weil ich die traditionelle Kleidung trage oder vom Land komme. Aber ich habe gelernt, mich zu verteidigen.“

Celia Vargas Llaveta (27), alleinerziehende Mutter von drei Kindern, lebt in Sucre und gehört zur ethnischen Gruppe des Territoriums Yampara. Sie ist engagiertes Mitglied einer Organisation, die für die Rechte der indigenen Menschen und den Erhalt ihrer Kultur eintritt.

Vielen Frauen in Bolivien geht es ähnlich: Die patriarchalen Strukturen sind fest verankert. Es braucht viel Mut und Selbstbewusstsein, um sie aufzubrechen. Weltweit kennen das viele Frauen: Gleichberechtigung ist zwar ein Menschenrecht, aber in der Realität und in den Köpfen findet sie vielerorts nicht statt. In vielen Ländern herrscht eine Kultur der Unterdrückung vor – bis hin zur Gewalt gegen Frauen.

Eine Gesellschaft umkrempeln

Konflikte beginnen in den Köpfen der Menschen. Und da setzen unsere drei Partnerorganisationen im Süden Boliviens an: Menschen gegen Gewalt zu sensibilisieren und sie mit den friedlichen Mitteln der Konfliktlösung vertraut zu machen – das ist Friedensarbeit.

Unsere Partnerorganisationen setzen daher auf Methoden der gewaltfreien Konfliktbearbeitung und auf konfliktsensible Medienarbeit und beziehen dabei die Werte der andinen Kulturen mit ein. Sie sind seit Jahrzehnten in der Region aktiv. Dadurch verfügen sie über ein weit verzweigtes Netzwerk von Menschen und Institutionen, die schrittweise in ziviler Konfliktbearbeitung ausgebildet und zunächst bei der Vermittlung in konkreten Konfliktfällen begleitet werden.

Aufführung zur Kultur des Friedens der Theatergruppe von ACLO in Monteagudo. Foto: Katja Dombrowski
„Träume von einer Welt voll Liebe und Frieden – so machen wir sie zur Wirklichkeit.“ Wandbild in Sucre, anlässlich des Weltfriedenstages 2022. Foto: Svenja Jandrasits

Darüber hinaus entwickeln Partnerorganisationen friedensjournalistische Medienangebote wie z.B. Radiosendungen, die – über lokale Radiosender ausgestrahlt – auch Menschen in entlegenen Gebieten erreichen. Konfliktsensible Berichterstattung und partizipative Gesprächsformate, die der Bevölkerung eine Stimme geben, tragen dazu bei, Konflikte dauerhaft zu entschärfen.

Unsere Partnerorganisationen Centro Juana Azurduy (CJA), Fundación Acción Cultural Loyola (ACLO), Investigación Social y Asesoramiento Legal Potosí (ISALP) arbeiten in drei Departamentos im Süden Boliviens an einem gemeinsamen Ziel: die Kultur des Friedens stärken.

Starke Frauen für eine starke Gesellschaft

In Bolivien ist häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder keine Seltenheit, wovon die immens hohe Femizidrate zeugt. Ein partizipatives Projekt des Centro Juana Azurduy (CJA) macht vielen Hundert Frauen Mut, ihr Leben in die eigene Hand zu nehmen.

Fokusgruppe im Rahmen der Forschung zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Frauen. Foto: Jimena Calizaya

Partizipative Aktionsforschung & Friedensjournalismus

Partizipative Aktionsforschung ist eine Methode, um Konflikte zu bearbeiten. Frauen aus verschiedenen Gesellschaftsschichten sprechen über Strukturen und Formen des Patriarchats. Gemeinsam setzen sie sich eine Fragestellung, zum Beispiel: Wie können Betreuungsaufgaben gerecht zwischen Männern und Frauen aufgeteilt werden? Sie untersuchen ihre eigene Lebenssituation und teilen ihre Ergebnisse mit anderen, um gesellschaftlichen Wandel anzustoßen. Die Frauen haben einen Kurzfilm und ein Buch mit ihren Forschungsergebnissen veröffentlicht und touren damit durch die Gemeinden.

CJA arbeitet auch mit Methoden des Friedensjournalismus: Der Sender Radio Encuentro behandelt wöchentlich kontroverse Themen. Hier wird fundiert informiert und lebhaft diskutiert, z.B. über die Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt. „Radio Encuentro fördert Demokratie, Respekt, Gleichberechtigung und Nicht-Diskriminierung und kämpft gegen patriarchale Strukturen, gegen Machismo und gegen Gewalt“, sagt CJA-Direktorin Martha Noya. Das Radioprogramm kann in fast ganz Bolivien empfangen werden.

Gutes Leben für Mensch und Natur

Fundación Acción Cultural Loyola (ACLO) will das gute Leben für Mensch und Natur, das „Vivir Bien“ das in Bolivien auf der andinen indigenen Weltanschauung basiert und Teil der Verfassung ist. ACLO betreibt ein Netzwerk von Radiosendern im Süden Boliviens. Es setzt sich für Frieden und partizipative Demokratie ein. Auf Spanisch, Quechua und Guaraní und über soziale Medien erreichen die Sender auch Menschen in abgelegenen Gebieten. ACLO bildet Bürgerreporter*innen in Friedensjournalismus aus und ermutigt lokale Akteur*innen, sozioökologische Konflikte in städtischen und ländlichen Kontexten konstruktiv zu bearbeiten.

Deysi Ponce von Radio ACLO im Studio in Sucre. Foto: ACLO

Um das Ziel „Ein gutes Leben für Mensch und Natur“ zu erreichen, fördert ACLO den Dialog zum Schutz der Naturräume im Süden Boliviens. Dürfen in einem Naturschutzgebiet nur indigene Gruppen Subsistenzwirtschaft betreiben oder ist unter Umständen dort auch integrierte Landwirtschaft möglich? Die am Dialog Beteiligten suchen gemeinsam nach Lösungen, um die Biodiversität Boliviens zu erhalten und den Menschen, die in den Schutzgebieten oder in deren unmittelbarer Nähe leben, eine Lebensgrundlage in ihrer Heimat zu sichern.

Für ein harmonisches Zusammenleben im andinen Hochland

Ein harmonisches Zusammenleben im Andenhochland von Potosí ist das Ziel unserer Partnerorganisation Investigación Social y Asesoramiento Legal Potosí (ISALP). ISALP will ein alternatives Entwicklungsmodell aufbauen, das auf dem Prinzip des „Vivir Bien“ und einer Kultur der Friedenserziehung basiert.

Dazu fördert die Organisation beispielsweise eine nachhaltige Landwirtschaft, um die Ernährung zu sichern, oder entwickelt Strategien zur Anpassung an den Klimawandel. ISALP setzt sich gegen Gewalt gegen Frauen ein und fördert die Gleichberechtigung der Geschlechter.

Indigene Frauen im Workshop von ISALP zu Konflikttransformation und Friedensarbeit. Foto: ISALP

Die Organisation sensibilisiert die Menschen im Süden Boliviens für Konflikte und trägt zur Prävention von Gewalt und zur konstruktiven Konfliktbearbeitung bei. ISALP arbeitet mit Ayllus (traditionellen Dorfgemeinschaften), Gemeinden und Behörden sowie mit Schüler*innen und Studierenden zusammen.

Das Projektteam von ISALP hat inzwischen über 140 Friedens-Freiwillige (voluntarios de paz) ausgebildet, überwiegend junge Menschen und zu zwei Dritteln Frauen. Diese bilden ein Netzwerk und setzen sich aktiv als Multiplikator*innen für Friedenskultur und zivilen Konfliktbearbeitung in ihren Institutionen und Regionen ein.

Ein gemeinsamer Erfolg der drei Partnerorganisationen

Violencia Invisible – Unsichtbare Gewalt

„Psychische Gewalt ist oft der Anfang einer Gewaltbeziehung, die bis zum Femizid führen kann. Mit der Kampagne wollen wir die Menschen für psychische Gewalt sensibilisieren und so die Möglichkeit schaffen, das Unsichtbare sichtbar zu machen.“

Clementina Guerra (ISALP)

Publikum in Potosí bei der gemeinsamen Kampagne gegen psychische Gewalt. Foto: Katja Dombrowski

Kultur des Friedens stärken in Bolivien

Unsere drei Partnerorganisationen in Bolivien klären in ihrer gemeinsamen Medienkampagne über psychische Gewalt gegen Frauen in der Partnerschaft auf. Sie nutzen lokale Radiosender, soziale Medien, Fernsehen und den öffentlichen Raum in vielen Städten und Dörfern, wo zum Beispiel Theatergruppen und Bands auf die unsichtbare Gewalt aufmerksam machen. Der Slogan „Que el buen trato sea costumbre“ bedeutet: „Auf dass guter Umgang miteinander zur Gewohnheit werde“. Trotz bestehender Gesetze ist es schwierig, psychische Gewalt strafrechtlich zu verfolgen, da sie keine sichtbaren Spuren hinterlässt.

v.l.n.r.: Martha Noya (Direktorin CJA), Andrés Dehmel (WFD-Landeskoordinator) und Wilfredo Caballero (Direktor ACLO) sprechen in Sucre über Folgen und Prävention psychischer Gewalt. Foto: Svenja Jandrasits
Aufkleberaktion in Sucre / Foto: Svenja Jandrasits
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Stefanie Wurm
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit