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Konflikte um Weideland und Wasser dauerhaft entschärfen

Im Norden Kenias verschärfen die Auswirkungen des Klimawandels altbekannte Konflikte. Am härtesten trifft es diejenigen, die sich am wenigsten schützen können: kleinbäuerliche Gemeinschaften, arme Familien, Menschen, die mit ihrem Vieh den Niederschlägen folgend die Weidegründe wechseln – sogenannten Pastoralist*innen. Wenn sie keinen Ausweg mehr sehen, treiben sie ihr Vieh auf fremdes Ackerland. „Früher hat die Polizei in solchen Fällen auf sie geschossen sie und einige getötet. Der Konkurrenz um Weideland und Wasser ist zu einem zum offenen Konflikt geworden“, erklärt John Ole Tingoi, Projektleiter bei unserer Partnerorganisation IMPACT.

Projektsteckbrief
Region:
Afrika
Land:
Kenia
Schwerpunkte:
Klimaanpassung
Konfliktbearbeitung
Menschenrechte

Im Dialog zur Übereinkunft finden

„Durch unsere Friedensarbeit haben die Menschen erkannt, dass ein Dialog über die gemeinsame Nutzung der knappen Ressourcen notwendig ist“, erklärt John Ole Tingoi. „Sie haben gelernt, Konflikte gewaltfrei zu bearbeiten. Mit unserer Unterstützung einigten sie sich darauf, ihre traditionellen Regeln für die Bewirtschaftung von Weideland und Wasser einzuhalten. In rechtskräftigen Weidevereinbarungen sind diese Übereinkünfte inzwischen auch formal geregelt.“

John Ole Tingoi, IMPACT-Projektleiter. Foto: IMPACT

Konflikte dauerhaft entschärfen

Unsere Partnerorganisationen Children Peace Initiative Kenya (CPI Kenya), IMPACT (Indigenous Movement for Peace Advancement and Conflict Transformation) und RPPL (Regional Pastoralist Peace Link) arbeiten im Rahmen unseres ZFD-Programms in Kenia eng mit den Pastoralist*innen in den Communities zusammen. Sie zeigen mit ihrem partizipativen Ansatz, wie Konflikte dauerhaft entschärft werden können.
Sie arbeiten daran, dass

  • benachteiligte Bevölkerungsgruppen gehört,
  • Konflikte gewaltfrei ausgetragen und
  • Ressourcen gemeinschaftlich verwaltet werden.

Dazu unterstützen die drei Partnerorganisationen traditionelle, außergerichtliche Schlichtungsverfahren wie Ältestenräte und Friedenskomitees. Im Idealfall werden diese bereits vor der Eskalation von Konflikten angerufen. Neben der lokalen Bevölkerung werden auch staatliche Akteure in das Konflikt- und Ressourcenmanagement einbezogen und für die Wahrung der Menschen- und Bürgerrechte sensibilisiert. Interethnische Dialogforen sorgen zudem dafür, dass bestehende Spannungen zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen abgebaut werden.

Eine Pokot-Familie schenkt einer Ilchamus-Familie eine Ziege als Zeichen der Freundschaft. Foto: Theresa Reß/WFD

Ein konkretes Beispiel: Weidepläne

Beim gemeinschaftlichen Ressourcenmanagement gestalten die Gemeinschaften ihre Zukunft selbst. Zunächst analysieren sie ihre Umgebung, erstellen Karten der vorhandenen Ressourcen und ihrer Nutzung und tragen zeitgebundene Ereignisse wie Viehtrieb, Aussaat und Ernte in Kalender ein. Auch die Distriktverwaltung kann ihre Perspektive einbringen und so die Weidepläne formalisieren. Auf diese Weise werden Pläne ausgehandelt, die einen Weg aufzeigen, wie das Land gemeinsam und nachhaltig bewirtschaftet werden kann.

Einen innovativen Ansatz zur Konfliktbearbeitung und -prävention verfolgt die Partnerorganisation CPI Kenya. Sie arbeitet mit Kindern und Jugendlichen als Schlüsselfiguren, um Zugang zu Eltern und Gemeinschaften zu bekommen, die sich in Konflikten befinden.

Kinder als Friedensbotschafter

In den Peace Camps der Partnerorganisation Children Peace Initiative Kenya (CPI Kenya) kommen Schüler*innen aus verfeindeten Gemeinschaften zusammen und werden zu Freund*innen. Dadurch kommen auch die Familien der Kinder in Kontakt. Der Austausch zwischen den Gruppen führt zu gegenseitigen Besuchen. CPI Kenya erreicht über die Kinder die Eltern und den Rest der Gemeinschaft kann so ein friedliches Zusammenleben in den Projektgebieten fördern.
In einer Region, in der sich bis vor kurzem noch Pokot und Ilchamus bekämpften, tauschen die am Projekt beteiligten Familien nun Geschenke aus. Sogar Ziegen wurden schon mehrfach verschenkt, was im lokalen Kontext eine sehr bedeutsame Geste ist.

  • Märkte, die jahrzehntelang aus Angst vor Überfällen nicht mehr geöffnet wurden, erwachen zu neuem Leben.
  • Das Niemandsland zwischen den beiden Gemeinden wird nun gemeinsam als Weideland genutzt, nachdem es jahrelang aus Angst vor Gewalt als „No-Go-Area“ galt.
  • Es gibt einen Austausch von Lehrer*innen aus den verfeindeten Gemeinschaften.
Pokot- und Ilchamus-Mütter begrüßen sich herzlich nach der Ankunft zu einem gemeinsamen Workshop. Durch ihre Kinder haben sie bereits eine Freundschaft aufgebaut. Kiserian, Baringo County, Kenia. 25.06.2023. Foto: Theresa Reß/WFD

Unterstützung indigener Gemeinschaften

IMPACT spielt eine führende Rolle im Kampf für indigene Rechte in der Region und vertritt die indigenen Gemeinschaften auch weltweit, z.B. bei den Vereinten Nationen. RPPL ist in der Region führend in der Aufklärungsarbeit gegen radikalen Islamismus.
Der partizipative Ansatz unserer Partner ermöglicht es den Menschen, großen Herausforderungen wie der Klimakrise, großen Infrastrukturprojekten oder religiösem Extremismus gewappnet und selbstbewusst zu begegnen. Sie richten ihren Blick auf die Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen. So entwickeln sie Resilienz, um langfristig in nachhaltigem Frieden leben zu können.

Zwei unserer gemeinsamen Erfolge

Peace Ultra Marathon

Junge Männer aus sechs verfeindeten ethnischen Gemeinschaften gehen beim Peace Ultra Marathon Isiolo gemeinsam an ihre Grenzen. Viehdiebstahl und gewalttätige Auseinandersetzungen sind im Norden Kenias keine Seltenheit. Doch einmal im Jahr laufen ca.70 Läufer Seite an Seite in ethnisch gemischten Teams die 70 Kilometer des Ultra-Marathons durch die Trockensavanne.

Wie ist das möglich? Die zum Teil eher gewaltbereiten jungen Männer werden von den Ältesten ihrer jeweiligen Gemeinschaft ausgewählt. Sie alle verbindet ein hohes Ansehen in ihrer Altersgruppe. So können sie sich nach dem Lauf für den Frieden zwischen den ethnischen Gruppen einsetzen. Die drei WFD-Partnerorganisationen CPI Kenya, IMPACT und RPPL organisierten den Lauf gemeinsam. Und es funktioniert? Auf jeden Fall – Kenia ist eine Läufernation. Der Friedenslauf hat sich in der Region einen Namen gemacht, auch weil der „schnellste Mann aller Zeiten“, der Kenianer Eliud Kipchoge, die Läufer vor dem Start in einer Videobotschaft daran erinnert, dass sie für das friedliche Zusammenleben ihrer Gemeinschaften laufen.

Ein 70-Kilometer-Marathon durch die Savanne schweißt junge Männer aus verfeindeten Gemeinschaften zusammen. Foto: Simon Fischer/WFD
Zwei unserer gemeinsamen Erfolge

Camel Caravan

Jedes Jahr organisieren unsere Partnerorganisationen gemeinsam eine Karawane entlang des Ewaso Ng‘iro, dem größten Fluss der Region, der – wie viele Gewässer in der Region – auszutrocknen droht. Mit der Karawane wurde auf das Thema aufmerksam gemacht und Aufklärungsarbeit geleistet – in den Medien, vor allem aber bei den Menschen vor Ort. Denn in manchen Regionen pflanzen die Anwohner*innen beispielsweise Eukalyptusbäume direkt an den Ufern. Dadurch wird dem Fluss enorm viel Wasser entzogen, so dass zu wenig bei den Menschen am Unterlauf ankommt. Diese Informationen sind zum Teil einfach nicht bekannt. Hier schafft die Karawane große Aufmerksamkeit und sorgt für Austausch, Sensibilisierung und in der Abschlussveranstaltung auch für politischen Dialog.

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Jedes Jahr zieht eine Kamelkarawane durch den Norden Kenias, um für eine gemeinschaftliche, friedliche Nutzung der vorhandenen Ressourcen zu werben. Foto: IMPACT
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Kinder als Friedensbotschafter
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Mediation und gewaltfreie Konfliktbearbeitung
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Stefanie Wurm
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit