Beengte Wohnverhältnisse unter der Besatzung © Timon Studler on Unsplash

 

Das Recht auf Gesundheit als grundlegendes Menschenrecht stellt Regierungen weltweit seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie auf die Probe. Lockdowns und Impfungen sollen die Pandemie beenden. Das ist jedoch ein Privileg, an dem nicht alle Menschen teilhaben können. Besonders deutlich wird das im besetzten palästinensischen Gebiet. Unsere Partnerorganisationen beobachten, was Pandemie unter Besatzungsbedingungen bedeutet.

 

Selektive Impfungen

Die israelische Regierung hat die eigene Bevölkerung in Israel und in den illegalen Siedlungen im besetzen Westjordanland fast durchgeimpft. Doch die Palästinenser*innen im besetzten palästinensischen Gebiet erhalten nur sehr erschwerten Zugang zu Impfstoffen.

Unser Partner, die Menschenrechtsorganisation Al-Haq, weist auf die Verpflichtung Israels als Besatzungsmacht entsprechend Internationalem Rechtes hin: der Besatzer ist für die medizinische Versorgung der besetzten Bevölkerung während einer Pandemie verantwortlich. Doch sowohl die Bereitstellung von Impfstoff als auch eine geeignete medizinischen Infrastruktur bleiben der palästinensischen Bevölkerung im besetzten Gebiet verwehrt.

 

Psychosoziale Situation gravierend verschlechtert

Unterversorgt bleibt die Bevölkerung auch bei der psychosozialen Gesundheit. Die Versorgung im besetzten palästinensischen Gebiet ist fast zum Erliegen gekommen. Auch unser Partner, das Guidance and Trainings Center (GTC) für Kinder und deren Familien in Bethlehem, kann aufgrund der Pandemieregeln nur noch Notfälle versorgen.

Schon vor der Pandemie litten viele unter der pausenlosen Fremdbestimmung, die das psychische Grundbedürfnis von Kindern und Jugendlichen nach Kontrolle und Orientierung untergräbt. Unsere Kollegin Marie Kurth vom psychologischen Team warnt: „Die Situation unserer jungen Patient*innen hat sich gravierend verschlechtert. Sie können ihre Teilhabe am Alltag überhaupt nicht mehr vorhersehen: Darf ich heute zur Schule, darf ich draußen spielen, wann kann ich zu meiner Therapeutin? Werden die Grundbedürfnisse dauerhaft nicht erfüllt, macht das krank und anfällig für Störungen.“

 

Kinder verbleiben in Haft

Auch die Kinderrechtsorganisation Defense for Children (DCI Palestine) beobachtet, dass das Recht auf Gesundheit nicht für alle Gültigkeit hat. DCI Palestine stellt lapidar fest, dass der „Besatzungsbetrieb wie immer läuft, trotz Pandemie“. Das gilt ganz besonders für palästinensische Kinder in israelischen Gefängnissen.

Die Palästinensische Autonomiebehörde ist dem Aufruf von DCI Palestine gefolgt, jugendliche Inhaftierte aufgrund der besonderen Ansteckungsgefahr von Covid-19 in Gefängnissen sofort zu entlassen. Doch kein Kind in israelischer Haft wurde freigelassen. Im Gegenteil, mit Corona infizierte Kinder in israelischer Haft werden stigmatisiert und verbreiten das Virus in den Gefängnissen.

 

Geflüchtete weitgehend auf sich selbst gestellt

Auch palästinensische Geflüchtete sind als eine der besonders gefährdeten Personengruppe Schlusslicht in der medizinischen Versorgung. Das eigens für palästinensische Geflüchtete gegründete Hilfswerk UNRWA der Vereinten Nationen ist unter anderem für die medizinische Versorgung der Geflüchteten verantwortlich.

Unser Partner, das Resource Center for Palestinian Residency & Refugee Rights BADIL, dazu: „Schon zu Beginn der Pandemie konnte kaum die Hälfte der palästinensischen Bevölkerung im besetzten Gebiet medizinisch versorgt werden. Auch nach einem Jahr Pandemie organisieren sich die Familien in den Lagern weiterhin selbst und beschaffen z.B. Sauerstoffgeräte kurzerhand privat. Palästinensische Geflüchtete müssen als Menschen behandelt werden, die in diese Situation hinein gezwungen wurden und aufgrund dessen Rechte von der internationalen Staatengemeinschaft zugesprochen bekommen haben. Somit ist die Umsetzung dieser Rechte in der Verantwortung der internationalen Staatengemeinschaft.“

Das gilt ganz besonders für die Umsetzung des Rechtes auf Gesundheit.

 

28.04.2021

Gepostet in: Aktuelles